Tuesday, April 18, 2006

Die Ideensucherin von Google

Als Produktchefin von Google fahndet Marissa Mayer nach Innovationen im Wettbewerb mit Microsoft und Yahoo
Marissa Mayer steht selten still. Unablässig marschiert sie auf der Bühne auf und ab, macht es dem Betrachter schwer, ihr mit dem Blick zu folgen. Sie erklärt, ihre Worte unterstreicht sie mit den Händen. Mayer ist in ihrem Element: Die 30-Jährige zeigt Journalisten die wichtigsten Neuerungen von Google, der momentan meistgenutzten Suchmaschine des Internet. Als Chef-Produktmanagerin sorgt sie hinter den Kulissen des US-Unternehmens dafür, dass die Innovationen bei Google im Kampf gegen die beiden großen Wettbewerber Microsoft und Yahoo nicht versiegen.

Der Suchexperte John Batelle vergleicht Mayer mit einem Kolibri: Wie der kleine Vogel, dessen Flügel bis zu 80-mal in der Sekunde schlagen, schwirre die Produktchefin voller Energie umher mit einem ungeheuren Engagement für neue Ideen. Sie selbst charakterisiert sich mit dem englischen Wort Nerd, das für jene oberschlauen Computernarren steht, die ansonsten nicht besonders gesellschaftsfähig sind. Als ein solches Exemplar dürfte sie allerdings bei Google kaum durchgehen, denn dort vermittelt sie zwischen Technik-Begeisterten und Marketing-Verantwortlichen. Ihr Talent für scheinbar unüberbrückbare Welten nutzt sie bei der Suche nach den besten Ideen der Entwickler.

Mayer kam 1999 als Mitarbeiterin Nummer 20 zu Google - dabei wollte sie eigentlich Hochschullehrerin für Computerwissenschaften werden. Ein Personalberater gab ihr den Tipp, bei dem jungen Unternehmen vorstellig zu werden. Sie war fasziniert von der Idee der Suchmaschine und startete als Programmiererin. Mittlerweile zeichnet sie verantwortlich für alle Produkte rund um die Suche sowie das Aussehen der Webseiten.

Ein Arbeitstag beginnt für Mayer morgens um neun Uhr im Googleplex, dem Hauptsitz des Internet-Unternehmens im kalifornischen Mountainview. Täglich stehen im Schnitt zwölf Besprechungen auf ihrer Agenda. Nach dem Ende des Konferenzmarathons - meist abends gegen 20 Uhr - brennt das Licht in Mayers Büro häufig länger. Dann beantwortet sie E-Mails oder plant ihren nächsten Tag. "Ich komme mit vier bis sechs Stunden Schlaf aus", behauptet sie. Zur Belohnung gönnt sich die Managerin alle vier Monate eine Woche Auszeit.

Fans von Mayer bescheinigen ihr im Internet die Attraktivität der US-Schauspielerin Scarlett Johanson. Deshalb dürfte sie in ihrer Jugend als Cheerleader der örtlichen Football-Mannschaft gerne gesehen gewesen sein. Wie sich das für ein echtes amerikanisches Supergirl gehört, schaffte sie es an der High School allerdings auch in den Debattierclub.

Der Gedanke für ein neues Produkt findet auf vielen Wegen zu Mayer: Über eine firmeninterne Mailingliste kann jeder Mitarbeiter seine Konzepte den Kollegen zugänglich machen. Die Produktchefin liest mit. Während geregelter Zeiten - täglich von 16 Uhr bis 17.30 Uhr - hält sie Audienz in ihrem vollverglasten Büro. Die Idee zur Sprechstunde hat Mayer aus der eigenen Hochschulzeit mit zu Google gebracht. In kleinen Gruppen von Tüftlern hinterfragt sie dann die Geistesblitze - in der Regel jeweils fünf Minuten lang. Rund 15 Angestellte nutzen täglich die Chance, Mayer neue Konzepte vorzustellen oder einfach eine Frage loszuwerden. "Alles ist erlaubt", sagt sie. Gelegentlich schnappt sich Mayer auch einen Programmierer persönlich und redet über aktuelle Entwicklungen.

Den Ritterschlag erhalten die Ideengeber mit der Aufforderung von Mayer: "Ok, lasst es uns Larry zeigen." Damit haben sie die erste Stufe im Auswahlprozess der Ideen geschafft: Die Google-Mitarbeiter dürfen ihr Konzept den Gründern präsentieren. Larry Page und Sergey Brin - beide Milliardäre und zugleich beurlaubte Doktoranden der Stanford University - haben die Suche nach Produkten in ihrem Unternehmen mit Hilfe von Mayer institutionalisiert. Google soll auch im achten Jahr seines Bestehens für Innovationen stehen. Ein Fünftel ihrer Arbeitszeit dürfen alle Mitarbeiter der Internet-Suchmaschine offiziell an eigenen Vorhaben tüfteln - unabhängig von ihren sonstigen Projekten.

Noch immer spielt dabei das Thema Suche die Hauptrolle. Von seinen Ressourcen steckt das Unternehmen laut Mayer 70 Prozent in seine Suchmaschine. Auf Entwicklungen, die damit verwandt sind, entfallen 20 Prozent. Dazu zählt etwa das Web-Portal Froogle.com, auf dem sich Anbieter von Produkten finden. Die restlichen zehn Prozent bleiben für experimentelle Produkte wie eine Computeranwendung zum Organisieren von digitalen Bildern.

"Google hat erst ein Drittel von dem erreicht, wo wir hinwollen", sagte Mayer, als sie vor einigen Wochen von Verleger Hubert Burda den Aenne Burda Award for Creative Leadership entgegennahm. Die Suchmaschine der Zukunft findet Informationen nicht nur in Texten, sondern auch in Videos, Bildern oder Musik, wie die Managerin glaubt. Außerdem kommt Google bald nicht mehr nur über den Computer zum Nutzer, sondern auch über das Handy - per mobilem Internet oder Spracherkennung. Dann sollen auch Informationshungrige in Entwicklungsländern googlen können, in denen das Web bislang wenig verbreitet ist.

0 Comments:

Post a Comment

<< Home